Die kleine Seele Eryjon (Teil 4)

Durch ein leises Weinen erwachte Eryjon. Das Weinen, welches er wahrnahm, kam aus seinem kleinen menschlichen Körper. Eryjon war neugeboren in einer Zeit, die für die Menschheit von großer Bedeutung war.

Er spürte die Freude und sah den zärtlichen Blick, den ihm seine Mutter schenkte. Eryjon wusste, dass er angenommen und erwünscht war. Viele Gesichter waren mit einem Mal um ihn herum, es war seine neue irdische Familie, die ihn willkommen hieß in seinem neuen Dasein.
Seine Familie bestand noch aus drei Brüdern und zwei Schwestern. Er war der Letztgeborene seiner Eltern. Sie lebten in einem kleinen Dorf, in einem Haus am Rande des Dorfes. Die Eltern verdienten ihr Brot mit Viehzucht. Sie waren liebevolle Menschen, die im Mitgefühl mit ihren Mitmenschen lebten. So wuchs er in der Liebe auf. Auch verstand er sich gut mit seinen Geschwistern, sie liebten ihn sehr.

Eryjon war ein aufgewecktes Kind, er stellte seinen Eltern viele Fragen. Mit drei Jahren erzählte er ihnen, woher er gekommen sei, erzählte ihnen von Orten, die sie zuvor niemals gehört hatten. Seine Eltern waren beunruhigt über das, was er erzählte, sagten ihm, dass er darüber schweigen müsse, da es den Menschen Angst machen würde und sie darüber beginnen würden, ihn zu verurteilen.
Eryjon beschäftigte sich im Heranwachsen mit dem Leben. Er dachte darüber nach, welchen Sinn das Leben habe und was die Aufgabe jedes Einzelnen sei, doch sprach er im Außen nicht mehr darüber. So war er ein Kind, das sehr in sich gekehrt war. Für die Zeit, in der er lebte, war dies jedoch sehr ungewöhnlich, doch seine Eltern ließen ihn, da sie glaubten, dass dies besser für ihn sei.
Seine Eltern und Geschwister liebten ihn sehr, doch erkannten sie auch, dass er anders war als sie, dass sie ihn nicht verstehen konnten.
Obwohl Eryjon viel Liebe von seiner Familie erhielt, fühlte er sich einsam und unverstanden. So sehr sehnte er sich nach einem Menschen, der ihn verstand, mit dem er sprechen konnte über seine Gedanken und der ihm Antworten schenken konnte.

Er erlernte, wie seine Eltern es wünschten, den Beruf des Schäfers. So verging die irdische Zeit auf der Suche nach Antworten für Eryjon. Die Arbeit als Schäfer ermöglichte es ihm, sich in seine Gedankenwelt hinzugeben.

Als Eryjon nun siebzehn Jahre alt war, hörte er im Dorf von einem Mann, der über das Land zog und die Menschen auf wundersame Art und Weise heilte. Er hörte, dass er Geschichten erzählte, die Antworten auf seine Fragen waren. So ging Eryjon zu seinen Eltern, sprach mit ihnen und sagte ihnen, dass er den Mann, der Jesus von Nazareth hieß, suchen wolle, um endlich Antworten auf seine Fragen zu erhalten.
Er sagte ihnen, wie sehr er sie liebte, doch dass die Unruhe der ungeklärten Antworten ihn unglücklich und verzweifelt machte, dass er wissen müsse, was die Antwort auf die Frage des Daseins ist. Seine Mutter begann zu weinen, bat ihn, doch bei ihr zu bleiben, sagte ihm, dass er die Antwort niemals finden könne. Als er die Trauer in seiner Mutter spürte, die Angst, es könne ihm etwas geschehen, nahm er sie in den Arm und liebkoste sie. Sie spürte seine Liebe, doch auch, wie wichtig es für ihn war, Antworten auf all seine Fragen zu erhalten. Auf einmal wusste sie, dass sie ihn ziehen lassen musste – ziehen lassen, damit er glücklich ist.
So sagte sie ihm, dass er gehen könne, dass ihre Liebe immer bei ihm sei und dass sie sich von ganzem Herzen wünsche, dass er die Antworten erhält, die in ihm gesucht werden. Nachdem der Vater sah, dass seine Frau ihren Sohn Eryjon ziehen ließ, war auch er bereit, ihn gehen zu lassen.
Eryjon verabschiedete sich von seinen Geschwistern und seinen Eltern, nahm seinen Wanderbeutel und zog los.

Zog los, den Mann zu suchen – den Mann, der Jesus von Nazareth hieß. So folgte Eryjon den Hinweisen, die er hörte, um darüber Jesus von Nazareth zu finden. Seine Suche brachte ihn in viele Städte. Er erfuhr, dass Jesus von Nazareth immer mehr Menschen heilte, erfuhr, dass er von einem Gott sprach, den er den Vater allen Lebens nannte. Je mehr Eryjon erfuhr, desto mehr drängte es ihn, Jesus von Nazareth zu finden.
Eryjon war vier Wochen unterwegs, als er von einer alten Frau erfuhr, dass Jesus von Nazareth sie vor zwei Tagen geheilt habe. Er eilte zu ihr, und sie erzählte ihm ihre Geschichte der Heilung. Sie sagte ihm, dass sie ganz krank gewesen sei, ihr Körper wäre zu schwach gewesen, um laufen zu können. Ihr Leben war durch die Krankheit voller Schmerzen gewesen. Da sei Jesus von Nazareth gekommen, habe sie angesehen und dann sanft seine Hand auf ihren Kopf gelegt, und alle Krankheit sei aus ihr gewichen. Die Schmerzen waren mit einem Mal fort, und sie konnte aufstehen und gehen.
Sie sagte, er habe sie angelächelt und gesagt, Gottvater liebe sie, sie dürfe beten zu ihm und ihm danken, dass Gottvater sie geheilt habe. Gottvater sehe die Liebe in ihr, sie sei sein Kind. Dann wäre er weitergezogen.
Eryjon fragte sie, ob sie wüsste, wo Jesus von Nazareth jetzt sei. Die alte Frau sagte ihm, dass er ganz in der Nähe, in einem kleinen Dorf, sei.

So eilte Eryjon in das kleine Dorf und lernte dort den Mann kennen, der Jesus von Nazareth genannt wurde. Als er ihn zum ersten Mal erblickte, saß er unter einem Baum, hatte die Augen geschlossen und schien abwesend zu sein. Er wirkte sehr groß und strahlte zärtliche, verstehende Liebe aus. Eryjon wusste, dass er angekommen war und die Suche beendet war, dass er nun die Antwort des Daseins erfahren würde. Er näherte sich Jesus von Nazareth ganz leise und vorsichtig, er wollte ihn nicht erschrecken, doch da öffnete dieser seine Augen und sagte, dass er auf ihn gewartet habe, um ihm alle Antworten zu schenken, damit er sein Dasein versteht.

Jesus von Nazareth sprach drei Tage mit Eryjon. In den drei Tagen wurden Eryjon alle Antworten gegeben. Eryjon verstand den Sinn des Daseins und seines Daseins. Er erklärte ihm, dass jeder Mensch eine Seele besitze und dass die Seele von Gott sei. So wurde ihm das göttliche Sein im Irdischen vollkommen bewusst. So viel Glück war in Eryjon, so viel Freude durchströmte ihn.
Nach drei Tagen nun sagte Jesus von Nazareth, dass er ihm alles gesagt habe, was er wissen müsse, um den Glauben an Gott und die Liebe Gottes auf Erden zu bringen. Eryjon war voller Dankbarkeit zu Jesus von Nazareth und umarmte ihn. Er sagte ihm, dass er sein neues Wissen den Menschen vermitteln möchte, damit alle den Weg zu Gott finden, so wie er ihn gefunden hatte durch ihn, Jesus von Nazareth.
Jesus von Nazareth sagte Eryjon, dass er an ihn glaube und die Liebe in ihm spüre, dass er Gott in ihm spüre und wisse, dass er vielen noch Führer sein werde – Führer zu Gott. Dann verabschiedete er sich von Eryjon, um weiterzuziehen und den Menschen Heilung und Glauben zu schenken.

Auch Eryjon machte sich auf den Weg, den Weg zurück nach Hause. Als seine Eltern und Geschwister ihn sahen, war die Freude groß. Eryjon erzählte ihnen von Jesus von Nazareth und von den Erkenntnissen, die er darüber erhalten hatte. Sie hörten zum ersten Mal aufmerksam zu und schienen keine Angst mehr zu haben. Es war ein bewegtes Wiedersehen.

Nach fünf Tagen des Zuhause-Seins wurde Eryjon sehr krank. Er bekam hohes Fieber. Sein Vater wollte zu Jesus von Nazareth gehen, um ihn zu bitten, Eryjon zu heilen, aber Eryjon sagte, dass es für ihn so richtig sei, dass er dieses Leben nun beenden dürfe, dass er alle Fragen geklärt habe und die Antworten ihn Gott nahegebracht hätten. Seine Aufgaben als Seele würden weitergehen nach diesem Leben. Er wüsste, dass sie ihn nie vergessen würden, denn er habe gesehen, dass er in ihnen Gott erweckt habe. Dann sagte er ihnen, wie sehr er sie liebte und ihnen dankte für das, was sie gemeinsam erfahren durften.
Eryjon schloss seine Augen und schlief ein.

Das Nächste, was er spürte, war die sanfte Berührung des göttlichen Seins, welches ihn im Arm hielt. Tränen flossen über Eryjons Gesicht – Tränen der Trauer, Tränen der Freude. Er war so voller Dankbarkeit, jenes Leben noch einmal erfahren zu dürfen.

Nachdem die Tränen aus Eryjon versiegt waren, fragte er nach seiner damaligen Familie. Das göttliche Sein lachte und sagte ihm, dass durch sein Wirken sie den Weg zu ihm gefunden hätten und dass sie hier wären, auf dem Planeten Gottes Heimat, und wie er sich wünschten, dass alle Mitseelen zurück zur Heimat finden.
Das göttliche Sein sagte ihm, dass auch sie in der Rückschau seien, um dann mit ihm gemeinsam geboren zu werden, um Führer zu Gottes Heimat zu sein. Eryjon war ganz aufgeregt, wollte sie treffen, doch das göttliche Sein sagte ihm, die Zeit wäre noch nicht reif, er dürfe sich noch ein Leben betrachten, in dem er auf Erden gewirkt habe, um dann gemeinsam mit ihnen wiedergeboren zu werden.

So wurde Eryjon ganz ruhig, schaute das göttliche Sein voller Liebe, Glauben und Vertrauen an, spürte die Liebe, die das göttliche Sein ihm schenkte. In der Geborgenheit der Liebe ließ er sich erneut in die Arme des göttlichen Seins fallen, dann wurde es dunkel um ihn.

(Fortsetzung folgt)

 

Licht und Liebe
Birgit

Hinweis:
Verfasst von Birgit Aulich